Komponisten

Gordon Kampe

Gordon Kampe
Portraittext

Es gehört zu den besonderen Qualitäten von Gordon Kampes Musik, dass sie nicht den Anschein elitärer Kunstproduktion vermittelt, sondern ohne Umschweife dort ansetzt, wo Klänge tatsächlich Bedeutung gewinnen: im Akt des Musizierens und im Vorgang des Wahrnehmens. Diese Unmittelbarkeit lässt sich am ehesten anhand ihrer immanenten theatralischen Qualitäten fassen. Denn der Umschlag ins Szenische spielt immer dann eine Rolle, wenn der Musiker sich – auch dort, wo man es auf den ersten Blick nicht vermutet – im Bemühen um eine adäquate Umsetzung der Vortragsanweisungen und ihres Aufforderungscharakters am Notentext abarbeitet.

Szenische Elemente wirken in Kampes Werken häufig unterschwellig, sind für die musikalische Umsetzung jedoch essenziell. Dies beruht darauf, dass der Musiker qua Vortragsanweisung gleichsam provoziert wird, damit er der Umsetzung des Notats eine bestimmte Richtung verleiht. Gleich zu Anfang seiner Orchesterkomposition „High Noon: Moskitos“ etwa heißt es, die Ausführenden sollen „bröselnd“ spielen, an anderen Stellen überschreibt Kampe Abschnitte mit „zwirblig geschlabbert“, „etwas fiebrig“ und „etwas verpixxelt“ oder gibt Aktionsbeschreibungen wie „wild, krass, mit tüchtig Schmackes“. In allen Fällen ist die Fantasie angesprochen, auf der einen Seite jene des Musikers, den diese Worte zur Gestaltung der Klanggebung anregen sollen, auf der anderen Seite jene des Hörers, der – vermittelt über die Aktionen – den Klangresultaten nachlauschen kann.

Noch weiter geht der Komponist, wenn er in „Das Barcklay-Syndrom oder Der rote Kreis“ für Akkordeon, Zubehör und Zuspielungen (2006) eine Reihe zusätzlicher Klangerzeuger wie zwei Tamtams, Fußquetschen und eine Mundharmonika vorschreibt und diese getrennt vom Akkordeonpart notiert. Dadurch fordert er die Hyperaktivität des Instrumentalisten bei der Bewältigung des Notentexts und den Umschlag ins Komische geradezu heraus und lässt, den Traditionen des instrumentalen Theaters angenähert, die Wiedergabe zu einem inszenierten Bemühen um die möglichst adäquate Umsetzung des Notentexts werden. Dass Gordon Kampe auch eine Affinität zum tatsächlichen Musiktheater hat, belegen eine ganze Reihe von Musiktheaterwerken, die in den letzten Jahren entstanden sind, u. a. „Plätze. Dächer. Leute. Wege. Musiktheater für ein utopisches Bielefeld“ (2015), die Kinderoper „Kannst du pfeifen, Johanna“ (2013) oder das Musiktheater „ANOIA“ (2011/12).

Die imaginäre und tatsächliche Szene von Kampes Werken zielt darauf, Hörern wie Musikern ein unmittelbares ästhetisches Erleben zu vermitteln, wobei der häufig verkannte Aspekt der Freude am Akt des Musizierens in den Mittelpunkt rückt und damit nichts weniger als eine lebendige Musikalität bei gleichzeitiger Ausformulierung eines ästhetisch überzeugenden Entwurfs angestrebt wird. Indem der Komponist Dinge, die man zu kennen glaubt, in eine andere Umgebung überführt, sie zum Gegenstand der Hör- und Sehwahrnehmung macht, hinterfragt er deren ursprüngliche Funktion, bricht ihre Semantik auf und schafft damit Platz für neue Perspektiven. Auch die Werktitel sind wichtige Bestandteile dieser Strategie: Mit ihrem Bezug etwa auf filmische Science-Fiction-Entwürfe fungieren sie als Chiffren, die zwar Konkretes benennen, aber keinesfalls als Hinweis auf eine illustrative Umsetzung misszuverstehen sind.
Dieses Verweissystem ist letzten Endes als Angebot an den Wahrnehmenden zu verstehen: Denn die verwendeten Materialien, ihre innermusikalische Inszenierung und die Einlagerung szenisch-theatralischer Ausdrucksmomente stellen dem Publikum ein – bisweilen sehr bildhaftes – Arsenal von Bedeutungsträgern zur Verfügung, das sich für eine emotionale oder assoziative Erschließung der Werke nutzen lässt. Dass dies ohne Absolutheitsanspruch und mit offensichtlicher Freude am Musizieren geschieht, macht Kampes Musik gerade in einer Zeit, in der sich manch theoretisierender Musikschaffender viel zu ernst nimmt, so sympathisch.

Text: unter Verwendung von Stefan Drees:
„Musik der Diskontinuitäten“ (Positionen 71)
und „Szene und Sprachspiel“ (NZfM 5/07)

Termine

Termine

  1. 02.11.2025

    Opernhaus, Hannover

    Gordon Kampe: "Wund und Bum und die Damen Ding Dong"

    Matthias Brandt (Sprecher, Niedersächsisches Staatsorchester Hannover. Ltg.: Masaru Kumakura

    Das Konzert wird am 3.11.2025 wiederholt!

  2. 14.12.2025, 11:00

    Philharmonie Köln

    Gordon Kampe: "Wum und Bum und die Damen Ding Dong" für Sprecher und Orchester

    Gürzenich Orchester

    (Das Konzert wirt am 14.12. um 15.00 sowie am 17.12. um 9:30 und um 11:30 Uhr wiederholt!)

  3. 14.12.2025, 14:00

    MusikTheater an der Wien

    Gordon Kampe: "Ich bin Vincent! und ich habe keine Angst" - Familienoper nach dem gleichnamigen Roman von Enne Koen, Libretto von Paula Fünfeck. (UA)

    Alois Mühlbacher, Georgina Fürstenberg, Johannes Bamberger, Lavinia Dames u.a., Wiener Symphoniker, Arnold Schoenberg Chor, Musikalische Leitung: Michael Balke, Inszenierung: Johannes Schmid

  4. 14.12.2025, 16:00

    MusikTheater an der Wien

    Gordon Kampe: "Ich bin Vincent! und ich habe keine Angst" - Familienoper nach dem gleichnamigen Roman von Enne Koen, Libretto von Paula Fünfeck.

    Musikalische Leitung: Michael Balke, Inszenierung: Johannes Schmid

    Weitere Aufführungen am
    16.12. (10:30 und 12:30), am 18.12. (10:30 und 12:30), am 19.12. (16:00 und 18:00 Uhr), am 21.12. (14:00 und 16:00) und am 28.12. (14:00 und 16:00).

Archiv

  1. 15.03.2025

    Radio Catalunya Musica

    Gordon Kampe: "boxen" für Pauken und Orchester

    Ensemble Resonanz, Ltg.: Riccardo Minasi

  2. 14.02.2025, 19:30

    Schulungshaus HH-Wasser, Hamburg

    Gordon Kampe: „Toccata“ für Cello piccolo

    David Strombert (Violoncello)

  3. 12.02.2025, 00:00

    Theater Münster, Großes Haus

    ZUM LETZTEN MAL IN DIESER SPIELZEIT!

    Gordon Kampe: "Sasja und das Reich jenseits des Meeres" Musiktheater nach dem gleichnamigen Roman von Frida Nilsson

    Musikalische Leitung: Thorsten Schmid-Kapfenburg, Regie: Sebastian Bauer

  4. 25.01.2025, 19:00

    Staatsoper Hamburg, opera stabile

    Gordon Kampe: "Die Kreide im Mund des Wolfs" (UA) Musiktheater nach einem Libretto von Dieter Sperl für eine Stimme und Ensemble

    Georg Nigl (Gesang), Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg

    Die Aufführung wird am 28.1., 30.1., 1.2. und 2.2. wiederholt!

  5. 24.01.2025

    RTP (Radio Portugal), Música Contemporânea

    Gordon Kampe: "Mein Fleisch" für Sopran, Bariton und Orchester

    Anna-Lena Elbert (Sopran), Holger Falk (Bariton), WDR Sinfonieorchester, Ltg.: Brad Lubman

  6. 09.01.2025, 10:30

    Theater Münster, Großes Haus

    Gordon Kampe: "Sasja und das Reich jenseits des Meeres" Musiktheater nach dem gleichnamigen Roman von Frida Nilsson

    Musikalische Leitung: Thorsten Schmid-Kapfenburg, Regie: Sebastian Bauer

    Weitere Aufführungen am 12., 23. und 28. Januar!

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